Hinweis:
Bei diesem Artikel handelt es sich um einen gesponserten Artikel.
Mir wurden weder vom Autor Arne Ulbricht noch vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht irgendwelche Vorgaben zum Inhalt meiner Besprechung gemacht. Dennoch kann ich nicht vollständig ausschließen, dass ich durch das Sponsoring beeinflusst wurde.

 
In meinem Artikel „Ein Lehrer will kein Beamter sein“ hatte ich das Buch „Lehrer – Traumberuf oder Horrorjob“ bereits einmal erwähnt. Inzwischen habe ich es gelesen.

Das Buch ist im Januar 2013 erschienen, also noch brandneu. Auf insgesamt 157 Seiten, die in 7 Hauptkapitel unterteilt sind, schreibt Arne Ulbricht darüber, wie er selber zum Lehrer wurde und wie er ganz persönlich den Berufsalltag eines Lehrers erlebt hat.

Im ersten Teil des Buches geht es darum, wie es zu der Entscheidung kam, Lehrer zu werden. Auch Arne Ulbricht war nach dem Abitur, wie viele andere Menschen, der Meinung, dass er als Lehrer über viel Freizeit verfügen würde, in der er sich ganz seinem Hobby, dem Sport widmen könnte. Er wurde Lehrer, stellt sich aber in diesem Kapitel auch die Frage, was einen guten Lehrer ausmache. Anschließend nennt er Beispiele von Lehrern aus seiner eigenen Schulzeit, die ihn inspiriert und beeinflusst haben. Am Ende konstatiert er: „Ich bin kein Lehrer, dessen Unterricht einzigartig ist und den die Schüler verehren. Ich bin auch kein schlechter Lehrer, dessen Unterricht vollkommen wirkungslos ist und der dauerhaft mit Schülern Probleme hatte bzw. hat.“

Beim Lesen hörte ich mich manchmal denken: „Und so ein Typ ist Lehrer geworden? Wenn alle Lehrer so eine Vorgeschichte haben, dann wundert mich so manches nicht mehr.“ Aber er hat Recht, Lehrer sind eben auch Menschen und haben meist eine ganz normale Kindheit, sind also nichts Schlechteres oder Besseres als andere Menschen.

Nach dem Entschluss, Lehrer zu werden, wird es Ernst. Im zweiten Kapitel wird das Lehramtsstudium beleuchtet. Arne Ulbricht ist kein Anhänger dieses Studiums, soviel wird deutlich. In seinem sehr persönlichen Stil erklärt er in deutlichen Worten, wie ungenügend das Studium die angehenden Lehrer auf die Schule vorbereitet. Es setzt sich im Studium das fort, was ich in meinem Artikel HSU Probe in der 4. Klasse angesprochen habe: es wird viel unnützes Wissen vermittelt.

Nach dem Studium folgte das Referendariat, aber nicht sofort. Im dritten Kapitel beschreibt Arne Ulbricht daher zunächst, wie er ein Jahr Wartezeit in Hamburg mit allerlei Gelegenheitsjobs hinter sich brachte. Von wegen Akademiker. Aber damit ist er nicht alleine. Viele Akademiker haben Probleme, einen Job zu finden und müssen sich deswegen mit den berühmten Taxifahrer-Jobs über Wasser halten. Nach einem Jahr war der Autor dann relativ unvorbereitet Studienreferendar, und zwar als Beamter. Seine Zeit als Referendar nennt der Autor „Horrorjahre“. Interessanterweise ist der Referendar den Seminarleitern genauso ausgeliefert wie viele Schüler ihren Lehrern. Auch hier zeigt sich wieder die absolute Willkürlichkeit der Notengebung (siehe auch meine Buchbesprechung des Buches Ich habe eine Eins! Und Du?), die nicht geeignet ist, Kompetenzen oder einen Leistungsstand zu bewerten. Arne Ulbricht räumt aber wiederholt ein, dass nicht an allem die Seminarleiter oder Mentoren schuld waren, sondern zu einem guten Stück auch er selbst.

Das Referendariat war geschafft. In Kapitel vier geht es weiter mit Arne Ulbricht’s Odyssee als Vertretungslehrer. Was mir nicht klar geworden ist: wie wurde aus dem verbeamteten Referendar ein angestellter Vertretungslehrer? Mit einer Schule in Hamburg fing es an und endete erst nach 8 Jahren und 6 verschiedenen Schulen. Und auch in dieser Lebensphase hatte der Autor erneut mit Noten (seine eigenen waren nur mittelmäßig) zu kämpfen. Erstaunt verfolgt man als Leser, wie planlos Schulen organisiert zu sein scheinen. Erwartet man nicht automatisch, dass Schulen perfekt nach Regeln, Handlungsanweisungen und Vorschriften funktionieren? Dieses Buch beschreibt eher das Gegenteil. Trotzdem empfiehlt der Autor jedem Lehrer, während seiner Berufszeit auch mal die Schule zu wechseln, so wie er es als Vertretungslehrer zu tun gezwungen war. Er erklärt ausführlich, welche Vorteile er in solchen Perspektivenwechseln sieht.

Als Einwohner einer klitzekleinen Stadt im Landkreis Erding (Bayern) gefiel mir das folgende Zitat sehr gut: Wenn man von einem Lehrer, der in einer bayerischen Kleinstadt unterrichtet, verlangen würde, ein Jahr lang in Neukölln zu arbeiten, dann wäre dies ja vergleichbar mit einem Auslandseinsatz der Bundeswehr, und auch wenn das diesem Lehrer gut täte, wäre das dann doch vielleicht zu viel verlangt.

Ja, meine Damen und Herren aus Erding: wie sehen Sie das? Wäre das nicht mal eine schöne Bereicherung Ihres Berufslebens? Ein Jahr Neukölln? Also hören Sie auf, über Ihre schlimmen Klassen zu jammern, selbst wenn es die 7e ist!

Arne Ulbricht nimmt sich nun in Kapitel fünf eins seiner Hauptthemen vor, die Verbeamtung. Offensichtlich ist das Hauptziel der meisten Lehrer, Beamter auf Lebenszeit zu werden. Er nimmt den Beamtenstatus von Lehrern regelrecht auseinander, regt sich über das Sicherheitsdenken von Beamten auf, spricht aber auch die selbstverständlich vorhanden Vorzüge an. Der Autor weiß durchaus selber, dass er mit seiner Meinung kontra der Verbeamtung von Lehrern relativ alleine steht, quasi sogar zum Nestbeschmutzer wird. Deswegen lässt er eine Reihe von Kollegen zu Wort kommen. Einige von ihnen sind angestellt, andere sind Beamte. Das Meinungsbild ergibt kein klares Bild, aber das ist auch ganz gut so. Es gibt eben nicht nur Gut und Böse, sondern auch Zwischentöne.

Letztendlich entschloss sich Arne Ulbricht, den Beamtenstatus wieder aufzugeben. Das entpuppte sich aber als schwieriges Unterfangen, denn kaum einer der Beteiligten wusste, wie dies zu bewerkstelligen sei. Das Ergebnis des Antrags stand bis zum Druck des Buches noch nicht fest.

Arne Ulbricht nutzt dieses Kapitel auch noch, um den Verdienst bzw. das Gehalt von Lehrern zu diskutieren. Er räumt mit dem Vorurteil vieler Lehrer auf, dass sie „in der Wirtschaft“ wesentlich mehr verdienen könnten als in ihrem Beruf als Lehrer. Aber er will auch konstruktiv sein, der Arne. Also entwirft er in groben Zügen ein Verdienstmodell, das auf einem Grundverdienst plus verschiedener leistungsabhängiger Zuschüsse basiert. Bravo! Auch ich bin ein Verfechter davon, engagierte Lehrer wesentlich besser zu bezahlen als jene, die ohne Motivation und Inspiration ihren Regelunterricht durchziehen.

Föderalismus ist das Thema des relativ kurzen sechsten Kapitels. Ein Thema, mit dem nur wenige Lehrer persönlich in Kontakt kommen. Dennoch scheinen in Deutschland die meisten Eltern und Lehrer Gegner davon zu sein, dass die Bildung unserer Kinder Ländersache ist. „Wenn man darüber nachdenkt, kann man doch nur platzen vor Wut, Zorn und Verzweiflung“, drückt es Arne Ulbricht aus. Trotz seiner Wut bremst er sich wieder ein und berichtet von seinen eigenen Erfahrungen mit dem Föderalismus und der damit verbundenen Bürokratie.

Im siebten Kapitel, dem längsten Kapitel des Buches, werfen wir gemeinsam mit dem Autor einen Blick in unterschiedliche Unterrichtsstunden. Wir erfahren, dass einige Schulstunden nicht nur für Schüler, sondern auch für einen Lehrer schrecklich sein können. Ich muss aber auch die Stirn runzeln, wenn ich hautnah erleben muss, wie ein Lehrer seine Schüler anbrüllt. Von Autorität ist in diesen Sequenzen nichts zu spüren. Das Thema Notenvergabe, diesmal aber nicht aus der Sicht des Betroffenen wie in Kapitel drei, wird in einem kleinen Exkurs angesprochen. Leider gibt es hierzu nur Fragen, aber keine Antworten oder wenigstens eine Meinung. Der Autor vermeidet es, das Thema Notenvergabe zu reflektieren oder selber Stellung zu beziehen. Aber es geht nicht nur um anstrengende Stunden, um Horrorstunden, sondern eben auch um Traumstunden. Auf der einen Seite die Horrorstunden, die einen Lehrer bis zur Weißglut wütend machen können oder die einen Lehrer einfach resignieren lassen. Auf der anderen Seite aber die vielen kleinen Erlebnisse, die den Beruf zu einem Traumjob werden lassen. Alles natürlich absolut subjektiv. Und sicher macht jeder Lehrer in solchen Situationen andere Erfahungen. Aber in diesem Buch geht es um Arne Ulbricht und darum, wie er seinen Beruf als Lehrer erlebt.

Mein Fazit

Das Buch „Lehrer – Traumberuf oder Horrorjob?“ ist eins auf jeden Fall nicht, nämlich ein Buch über die Schule oder über das deutsche Bildungssystem. Es beschäftigt sich auch nicht mit Eltern und nur am Rande mit Kindern. In diesem Buch beschreibt ein einziger Lehrer, wie er Schule erlebt hat, und zwar von der eigenen Grundschule an bis zu der Zeit, in der er als Lehrer fest angestellt bzw. verbeamtet war. Seine Sprache ist sehr direkt, oft anklagend, aber auch immer wieder selbstkritisch. Manchmal vergaloppiert sich Arne Ulbricht und schreibt sich ein wenig in Rage. Da wird sein Stil dann vielleicht auch hin und wieder etwas zu deutlich. Die Bedeutung einiger Abkürzungen wie GEW (= Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) werden als selbst erklärend angenommen, was sie möglicherweise im Lehrerkreis sind, aber nicht bei allen anderen Berufsgruppen.

Es drängt sich ein wenig der Verdacht auf, als ob Arne Ulbricht das Buch als eine Art Selbstreinigung benötigt, denn letztendlich geht es vor allem um die Kritik an der Verbeamtung von Lehrern und um die Bürokratie des föderalistischen deutschen Bildungssystem, beides verpackt in die Darstellung seiner persönlichen Erfahrungen als Lehrer.

Mutig ist es von Arne Ulbricht, seine eigenen Unzulänglichkeiten als Lehrer öffentlich zu machen. Haben nicht Lehrer und Ärzte immer Recht? (Nein, das haben sie natürlich nicht.)

Bemerkenswert kritisch sieht er den Beruf des Lehrers an sich. Lehrer leben nach wie vor in ihrer eigenen geschützen (verbeamteten) Welt und verlieren den Bezug zu dem, was für andere Menschen Berufsleben bedeutet. Aber genau darauf sollen Lehrer ihre Schüler vorbereiten, auf den Berufsalltag. Ebenso sieht es mit der Vorbereitung auf ein Studium aus. Welcher gestandene Lehrer weiß denn schon, wie es heute an den Universitäten zugeht? Zu betonen ist an dieser Stelle, dass Arne Ulbricht nicht einzelne Personen kritisieren möchte, sondern das System der Verbeamtung von Lehrern als Ganzes. Wer also mal lesen möchte, wie ein verbeamteter Lehrer seinen Status als Beamter (und den seiner Kollegen) sieht, der muss dieses Buch lesen. Diese Gelegenheit hat man nicht sehr oft.

Aber vor allem sollten Lehrer dieses Buch lesen. Nach den ersten Seiten werden viele wahrscheinlich in Versuchung geraten, das Buch in die Ecke zu knallen. Aber glücklicherweise ist das Buch in einer einfachen Sprache geschrieben und lässt sich deswegen leicht und schnell herunterlesen (ihr haltet das schon durch!). Vielleicht gebt ihr dem Buch eine zweite Chance und lest erst einmal ab Seite 137 weiter (= Traumstunden). Wisst ihr wieder, warum ihr Lehrer geworden seid? Nehmt die Schüler ernst, lasst euch auf eure Schüler ein und sie werden es euch danken! Und vergesst nicht, dass auch andere Berufe ihre Schattenseiten haben.

Für alle anderen ist das Buch zwar kurzweilig, aber nicht unbedingt ein literarisches Meisterwerk, ohne das man nicht weiterleben könnte. (Das solle es aber auch gar nicht sein.)


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