Ich lese gerade einen Artikel über Nachhilfeunterricht schon bei Grundschülern. Mein Sohn kommt jetzt in die 4. Klasse, und da ist dieses Thema natürlich interessant für mich. Wir Eltern wollen ja nur das Beste für unsere Kinder. Aber was ist „das Beste“? Für viele Eltern stellt das sicher ein Dilemma dar.
Auf der einen Seite wollen wir, dass unser Kind seine Kindheit genießen kann, einfach Kind sein darf.
Auf der anderen Seite wissen die meisten von uns, dass eine schlechte Ausbildung spätestens nach der Kindheit zu ganz großen Problemen führen kann, denn ohne Geld läuft weiter nichts in unserer Gesellschaft.
Von daher musste ich bei dem Kommentar von „Höllenkerl“ (06.01.2017 Hinweis: die Kommentare wurden inzwischen entfernt. Ursprünglicher Link: http://www.derwesten.de/nachrichten/waz/rhein-ruhr/2009/8/17/news-129396967/detail.html#908805) nicken, auch wenn sein Ton nicht gerade sachlich ist, aber ich kann die Emotionen sehr gut verstehen.
Vor ein paar Wochen wurden wir Eltern hier in der Gemeinde zu einer Info-Veranstaltung eingeladen, auf der uns das vielfältige Schulsystem in Deutschland nahe gebracht werden sollte. Es ging in erster Linie darum, den Eltern klar zu machen, dass ein Kind immer die Schule besuchen sollte, die zum Entwicklungsstand passt. Danach hätte das Kind immer noch praktisch alle Möglichkeiten, sich quasi jeder Zeit für eine andere Schullaufbahn mit einem anderen Abschluss zu entscheiden. Den Eltern sollte der Druck genommen werden, dass ihr Kind unbedingt ab der 5. auf ein Gymnasium gehen muss. Diesen Druck geben sie in der Regel an die Kinder weiter, die sich dann erst recht nicht gerade motiviert ans Lernen machen. „Ein Teufelskreis“, wie T.V. Kaiser zu sagen pflegte. Am Ende suchen viele Eltern das Heil im institutionierter Nachhilfe. Das nimmt den Kindern noch mehr von ihrer unbeschwerten Freizeit.
Nachhilfe als letzter Ausweg? Hat nicht die Schule und damit die Lehrer die Aufgabe, unseren Kindern das notwendige Rüstzeug für das weitere (Berufs-)Leben beizubringen? Ich bin von unserem jetzigen staatlichen Schulsystem nicht überzeugt. Über alternative Schulsysteme kann ich mich nicht äußern, da fehlen mir zu viele Informationen. Mir ist es zum Beispiel nach wie vor nicht erklärlich, warum die Erziehung zum christlichen Glauben (auch „Religion“ genannt) immer noch ganz selbstverständlich zum Stundenplan gehört. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: eine ausgewogene Besprechung aller wesentlichen Weltreligionen würde ich sehr begrüßen, aber dies findet im mir bekannten Religions-Unterricht nur sehr rudimentär statt. Ich bin der Meinung, dass die Erziehung zum christlichen Glauben Aufgabe der entsprechenden Kirche und des Elternhauses sein sollte.
Glücklicherweise bieten viele Schulen als Alternative für die vielen Schüler, die nicht katholisch sind, einen Ethik-Unterricht an, an dem, wenn es keine Überschneidungen bei den Schulstunden gibt, auch Schüler teilnehmen dürfen, die Religion auf dem Stundenplan haben. Ethik als Unterrichtsfach finde ich gerade in Zeiten, in denen sich die Wertvorstellungen ändern (um es positiv auszudrücken), sehr willkommen. Nur lachen musste ich, als mein Sohn mir berichtete, dass sie während des Unterrichts oft Mandelas ausmalen mussten. Gut, das fördert die Konzentrationsfähigkeit, aber im Ethik-Unterricht würde ich andere Inhalte erwarten.
Besonders erschreckend finde ich, dass auch heute so gut wie kein einziges Kind gerne in die Schule geht. Und das trotz aller Schulsystemreformen, PISA-Studien und, was weiß ich, noch. Ging mir nicht anders … stimmt. Aber wieso kann sich das nicht mal ändern?
Bildung ist wichtig. Voraussetzung dafür ist aber Neugierde auf Wissen und Spaß am Lernen. Unser System schafft es, diese angeborenen Fähigkeiten fast in Nullzeit aus unseren Kindern auszutreiben.
Ich kann mich auch noch gut daran erinnern, als Englisch bereits im Kindergarten-Alter über private Lehrer angeboten wurde. Wir haben unserem Kind diese frühe Förderung versagt. Früher lernte man Englisch ab der 5. Klasse, heute ab der 3. Keine Frage: Englisch ist wichtig. Und ich beneide die Familien, in denen Kinder mehrsprachig aufwachsen. Aber ich halte nichts davon, den Kindern zu früh eine weitere Fremdsprache aufzwängen zu wollen. Viel kommt dabei eh nicht raus und damit dürfte die Zeit weitgehend verschwendet sein. Lieber plane ich für später einen Auslandsaufenthalt ein, das ist weitaus effektiver.
Ein paar Kommentare zu dem oben genannten Artikel sehen unser Schulsystem und die Möglichkeit der Eltern, ihre Kinder zu unterstützen, kritisch. „Nachhilfe“ zum Beispiel fordert in Kommentar #27 (06.01.2017 Hinweis: die Kommentare wurden inzwischen entfernt. Ursprünglicher Link: http://www.derwesten.de/nachrichten/waz/rhein-ruhr/2009/8/17/news-129396967/detail.html#911479) eine Reformierung des Schulsystems. So weit, so gut. Aber ich kann das trotz Notwendigkeit bald nicht mehr hören. An unserem Schulsystem wird seit Jahrzehnten herumexperimentiert, aber ohne wirklich nachhaltige Verbesserung. Kleinere Schulklassen … na klar. Das bedeutet mehr Lehrer. Nur was passiert mit denen in einigen Jahren, wenn der demografische Wandel zuschlägt, und es keine Kinder mehr gibt? Ganze Schulen werden inzwischen geschlossen.
Der Kommentar von „Lebejetzt“ (06.01.2017 Hinweis: die Kommentare wurden inzwischen entfernt. Ursprünglicher Link: http://www.derwesten.de/nachrichten/waz/rhein-ruhr/2009/8/17/news-129396967/detail.html#933081) ist auch nicht schlecht. Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass Lernen viel mit Regelmäßigkeit, mit Wiederholung, mit Übung zu tun hat. Wenn wir mit unserem Sohn die Rechtschreibung von Wörtern üben, schreiben wir keine Note darunter. Wir schreiben auch nicht die Anzahl der Fehler hin. Stattdessen markieren wir nur die Fehler und lassen die falschen Wörter noch mal neu schreiben. Die falschen Wörter werden dann in den nächsten Tagen bevorzugt wieder verwendet. Es geht gar nicht darum, dem Kind seine Fehler unter die Nase zu reiben, sondern durch Wiederholung die richtige Schreibweise einzuprägen. Mit anderen Unterrichts-Inhalten ist das ähnlich. Man denke doch mal, wie man das Fahrradfahren lernt. Doch nicht, indem jemand mitzählt, wie oft man pro Stunde umgekippt ist! Man probiert es einfach so oft, bis es klappt! In der Schule ist allerdings die Zeit für Stoff-Wiederholungen begrenzt, denn die nächsten Themen drängeln schon in der Warteschlange, man muss möglichst rasch mit dem nächsten Thema weitermachen. „Individuelle Förderung“ nenne ich das nicht. Die Kritik geht da gar nicht an die Lehrer, denn den meisten von ihnen unterstelle ich die besten Absichten für unsere Kinder. Aber sie bewegen sich eben nur in eng gesteckten Rahmenbedingungen.
Warum gibt es eigentlich im Zeugnis eine Note für „Schrift“? Sicher ist es hilfreich, wenn die Lehrer entziffern können, was die Kinder schreiben, aber wieso darf eine schlechte Note den Zeugnisdurchschnitt versauen? Mir gefällt die Schrift meines Sohnes auch nicht besonders, nicht sehr ordentlich, nicht sehr sauber. Meine Schrift gefällt mir besser. Bis ich dann mal meine Grundschulzeugnisse hervorgekramt habe. Bei mir gab es sogar noch „Schönschrift“-Stunden. Trotzdem hatte ich eine Vier in Schrift! Neben einer Eins in Mathe ist so eine Vier im Zeugnis doch nicht besonders schön. Seitdem ich mir meine Zeugnisse wieder angesehen hatte, ist mir die Schrift-Note meines Sohnes jedenfalls piepegal. Wir versuchen nur zu erreichen, dass die Lehrerin Zahlen und Wörter richtig lesen kann, denn die Abwertung einer „Probe“, nur weil etwas nicht lesbar war, ist ja auch nicht so toll.
Und warum gibt es in Kunst, Musik und Sport Noten? Ich finde es okay, wenn Kinder etwas über Kunst und Musik lernen, sich ausgleichend im Sport-Unterricht austoben können, aber Noten sind Unsinn! Genauso gut könnte ich fordern, dass ein hoher Level in Dragonica mit einer Note bewertet wird (28.01.2017 Hinweis: die europäischen Server wurden zum 30.04.2014 abgeschaltet, die Website inzwischen auch. Als Dragon Saga bleibt das Spiel weiter verfügbar. Der ursprüngliche Link zu Dragonica: http://de.dragonica.gpotato.eu/). Und das meine ich gar nicht so ironisch, wie es klingen mag. Denn die Kompetenz, souverän mit einem Computer umgehen zu können, ist IMO wesentlich wichtiger als Musik-Noten lesen zu können. (Nur … welcher Lehrer könnte hier mit unseren Kindern mithalten? Vielleicht bräuchten die mal Nachhilfe-Unterricht im Umgang mit modernen Medien.)