In unserem Kurz-Urlaub in Norddeutschland haben wir uns das Museum und das Freigelände angesehen.
Leider begann der Tag sehr regnerisch, sollte sich aber am Nachmittag bessern. Auf unserer Anfahrt von Wedel nach Schleswig war die Stimmung ziemlich gedämpft. Überraschenderweise war der relativ kleine Parkplatz trotz des Regens ganz gut belegt. Es regnete immer noch ziemlich stark, so dass wir keine große Lust verspürten, im Freigelände herumzulaufen. Glücklicherweise war es gerade die richtige Zeit, um etwas zum Mittag zu essen. An der Hauptstraße fanden wir das historische Restaurant Odins Haddeby. Ein Blick durch ein Fenster zeigte uns ein eher gediegenes Ambiente und ein Blick auf die Speisekarte zeigte uns, dass wir heute nicht bereit waren, diese Preise für ein einfaches Mittagessen zu bezahlen. Wir waren nass, unsere Kinder waren maulig und wir hatten Hunger. Gleich nebenan gab es den Campingplatz Haithabu mit einem kleinen Bistro und sehr zivilen Preisen, genau das Richtige für uns!
Das Bistro war erwartungsgemäß sehr schlicht. Das Essen bestellte man an einer Art Durchreiche, es wurde dann aber an den Tisch gebracht. Das Personal war sehr freundlich und die Portionen waren ordentlich. Wie gesagt, genau das Richtige für uns. Etwas melancholisch schauten wir dem Regen zu, wie er draußen auf die Pflanzen tropfte. Hoffnung auf besseres Wetter hatten wir immer noch.
Und zu Recht! Der Regen hörte langsam auf. Also machten wir uns wieder auf den Weg zum Musem.
Unsere dünnen Regenjacken stellten keine große Belastung dar. Wichtiger war, dass der Regen aufgehört hatte. Vorsichtshalber entschieden wir uns, zunächst das Museum zu besuchen und uns erst anschließend das nachgebaute Wikinger Dorf anzusehen. Bis dahin sollte das Wasser weitgehend abgeflossen sein, so dass wir nicht durch Matsch laufen mussten.
Ich habe mir nicht besonders viel vom Museum erwartet. Viel stärker hat mich das Wikinger Dorf interessiert. Dort könnte man bestimmt ein Gefühl dafür entwickeln, wie die Wikinger gehaust hatten.
Das Museum hat uns dann aber ziemlich überrascht. Das einzige deutsche Wikinger Museum stellt ungewöhnlich viele handwerkliche Werkzeuge, Schmuckstücke, Gebrauchsgegenstände der Wikinger-Zeit vor etwa 1000 Jahren aus. Außerdem gibt es die Rekonstruktion eines Kriegsschiffs zu bewundern, in dem auch Original Fundstücke integriert wurden. Sehr interessant sind die Modelle von Gräbern, vor allem das eines Kriegsherrn, der mitsamt seinem Kriegsschiff unter die Erde gebracht wurde (Bootkammergrab). Meine Favoriten waren aber die Runensteine, deren Inschriften mit spezieller Lichttechnik hervorgehoben und übersetzt werden.
Das Museum gliedert sich in sieben getrennte Häuser, deren Architektur an Schiffsrümpfe erinnern soll.
- Raum 1: Stadtmodell von Haithabu
- Raum 2: Straßen, Handwerk und Bewohner von Haithabu
- Raum 3: Schauplatz der Macht mit Runenstein
- Raum 4: Gläserner Warenkubus mit Handels- und Beuteobjekten
- Raum 5: Hafenanlage mit Landungsbrücke und Kriegsschiff
- Raum 6: Eingangsbereich mit Kasse und Shop
- Raum 7: Cafeteria
Neben den Ausstellungsstücken selber wird auch der Herstellungsprozess von beispielsweise Glasperlen in allen Phasen veranschaulicht.
Besonders modern gibt sich das Museum durch einen Audioguide, den man sich an der Kasse ausleihen kann. Er leitet den Besucher durch die gesamte Ausstellung und ist auch noch für das Freigelände gut. Es wird aber noch moderner: selbst eine Haithabu-App für iOS (iPhone) und Android gibt es kostenlos zum Installieren. Leider habe ich diese App erst nach unserem Besuch entdeckt und ausprobiert. Sie ist (noch?) nicht für Tablets optimiert, kann aber dort natürlich ebenfalls verwendet werden. Für die Audio-Informationen ist das unwichtig, aber die Fotos kämen besser zur Geltung. Ich ägere mich ein bißchen, dass ich die App nicht dabei hatte! Ich kann sowohl den Audioguide als auch die Haithabu-App nur empfehlen.
Ich habe keine Fotos im Museum gemacht, zeige hier aber stellvertretend das Foto eines Runensteins.
Auf dem Runenstein wurden nacheinander einzelne Runengruppen angeleuchtet und übersetzt. Es wurden mehrere dieser Runensteine ausgestellt.
Während wir uns viele Ausstellungsstücke genauer anschauten, waren unsere Kinder natürlich bereits komplett durch und warteten im Hafen (Nachbau eines Kriegsschiffs und eines Landungsstegs) auf uns. Von da ging es dann bei inzwischen viel besserem Wetter weiter zum Wikinger Dorf. Zum Bedauern unserer Kinder zog sich der Weg etwas in die Länge.
Es war ein beschaulicher Weg an Feldern vorbei bis hin zur halbkreisförmigen Schutzwallanlage der ehemaligen Handelsmetropole Haithabu. Dieser Wall ist 1,3 km lang und bis zu 10 Meter hoch. Er umschloss die gesamte Stadt und diente als Schutz. Vermutlich war er zusätzlich mit Palisaden befestigt. Von der Stadt selber ist nichts zu sehen. Es sieht nach ganz gewöhnlichen Wiesen mit ein paar Schafen und Rindern aus. In der Mitte wurden allerdings sieben Häuser nachgebaut, so dass man sich einen Eindruck über die Lebensbedingungen der Wikinger in Haithabu machen kann.
Seht ihr den tollen Himmel auf dem Foto? xD Es wurde richtig schönes Wetter!
Wir hatten das große Glück, dass gerade wieder eine der vielen Veranstaltungen in Haithabu stattfand. So waren Handwerker aus vielen Ländern im Dorf und zeigten, wie früher verschiedene Gegenstände hergestellt wurden. Wer mochte, konnte die Waren kaufen. Außerdem gab es natürlich auch etwas zu essen, obwohl das angebotene Fladenbrot sicher nicht jedermans Geschmack war.
Gleich neben diesem Stand wurden über offenem Feuer Hähnchen gegrillt. 5 Euro für einen Weizenfladen mit Hähnchenfleisch fand ich aber nicht wirklich besonders preiswert. Die Kinder probierten einen Fladen mit Fleisch. Mit unserem heutigen Brot hatte der Fladen nichts zu tun, er kam nicht gut an.
Bei den Häusern handelt es sich nicht um Original Konstruktionen, sondern um Nachbauten. An ihnen werden verschiedene Baukonstruktionsstile dargestellt. Jedes Haus verfolgt ein bestimmtes Thema:
- Haus des Kammachers
- Haus des Tuchhändlers
- Haus der Händler
- Haus des Holzhandwerkers
- Versammlungshaus
- Haus des Fischers
- Herberge
Die Häuser stehen nicht an ihren orignalen Standorten. Nur das Versammlungshaus mit seinen 100 m2 wurde an genau der Stelle aufgebaut, an der es durch Ausgrabungen belegbar bereits im Jahre 882 gestanden hatte. Von der gesamten Stadt Haithabu wurden bisher nur ungefähr 5 Prozent ausgegraben. Aktuell kann man nichts von Ausgrabungen erkennen, keine Löcher im Boden oder Baracken für Ärchäologen oder ähnliches.
Die Gebäude waren alle eingerichtet. Allerdings konnte man nicht viel erkennen, da das Innere mit Talglichtern beleuchtet wurde. Wenn man von draußen kam, brauchten die Augen eine Zeitlang, um überhaupt irgendetwas zu erkennen. Nur in den Gebäuden, wo sich Handwerker aufhielten, wurde besser beleuchtet. Die Einrichtung war sehr spartanisch, nirgendwo irgendwelche Nintendos, iPads oder Computer. Ein paar Tische und Bänke aus Holz, ein Herd, ein kleiner Kuppelofen.
Vom Dorf führt ein kleiner Weg zum Hafen. Eine Handelsmetropole der Wikinger verfügte natürlich über eine ausgeprägte Hafenanlage. Die Landestege dienten früher auch als Marktplatz. Einer dieser Stege wurde rekonstruiert. Hier versank auch das königliche Langschiff, das im Museum als Rekonstruktion ausgestellt ist. Einen Eindruck von der Größe der früheren Hafenanlage erhält man leider nicht. Haithabu war vor allem deswegen eine der wichtigsten Wikinger-Städte, weil es am Ende der Schlei lag. Das war strategisch höchst bedeutend, weil man sich den sehr langen Weg, nördlich um Dänemark herum sparen konnte. Damals gab es ja den Nord-Ostsee-Kanal noch nicht. Von der Nordsee aus konnte man über die Flüsse Eider und Treene bis nach Hollingstedt segeln, das war bereits 60 km im Landesinnern. Zwischen Haithabu und Hollingstedt waren nur noch ca. 18 km Landweg zu überbrücken. Vermutlich wurden die Güter von den Schiffen in Hollingstedt auf Ochsenkarren geladen, dann nach Haithabu gebracht, um dort entweder wieder neu auf Schiffe verladen oder direkt auf dem Markt verkauft zu werden. Das Gleiche galt für die andere Richtung, also von der Ostsee zur Nordsee.
Manchmal neige ich dazu, mich zu lange an solchen Orten aufzuhalten und mir vorzustellen, wie es damals vor 1000 Jahren wohl zuging. Ich bin dann froh, dass ich nicht in jener Zeit gelebt habe. Meine Familie jedenfalls wartete bereits auf mich und wollte wieder nach Hause.
Falls ihr mal in Norddeutschland unterwegs sein solltet, macht doch mal einen Ausflug nach Haithabu … aber nur bei gutem Wetter.
Nachtrag 28.09.2012: Heute bei Planet-Wissen im Fernsehen und im Internet zum Nachlesen.
[osm_map_v3 map_center=“54.4667,9.5562″ zoom=“10″ width=“100%“ height=“450″ map_border=“thin solid blue“ post_markers=“all“ control=“fullscreen“]